Der Begriff Vertreibung bezeichnet alle Maßnahmen gegenüber einer rassischen, religiösen, sozialen oder politischen Gruppe, die sie zum Verlassen ihrer Heimat zwingen.
Die Vertreibung aus Ostdeutschland und dem deutschen Sudetenland ist die größte nationale Tragödie Deutschlands. Sie ist zugleich in der gesamten Menschheitsgeschichte in Ausmaß und Opferzahl beispiellos.
“Sofern das Gewissen der Menschheit jemals wieder empfindlich werden sollte, wird diese Vertreibung als die unsterbliche Schande aller derer im Gedächtnis bleiben, die sie veranlaßt oder die sich damit abgefunden haben. Die Deutschen wurden vertrieben, aber nicht einfach mit einem Mangel an übertriebener Rücksichtnahme, sondern mit dem denkbar höchsten Maß an Brutalität.”
Viktor Gollancz, 1946 zur Vertreibung der Deutschen
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Definitionen
Vertreibung beinhaltet erzwungenes Verlassen aufgrund von Verfolgung und Diskriminierung, erzwungene Flucht aufgrund von Androhung von Gewalt oder Androhung der Ausweisung, organisierte Deportation innerhalb eines Staatsgebietes, wie auch über die Staatsgrenzen hinaus, Abschiebung in einen anderen Staat, Ausweisung aufgrund staatlicher Anordnung bei Verhinderung der Rückkehr, staatlich erzwungene Umsiedlung von einem Gebiet in ein anderes zum Zweck der Sesshaftmachung.
Flüchtlinge verlassen ihre Heimat, um einer drohenden existentiellen Gefahr zu entgehen. Im Unterschied zu Vertriebenen werden sie nicht unmittelbar zum Verlassen ihrer Heimat gezwungen. Geschieht die Flucht auf Anordnung der Behörden des eigenen Landes, spricht man von Ausweisung. Falls Flüchtlingen oder Ausgewiesenen die Rückkehr in ihre Heimat verwehrt wird, unterscheidet sich ihre Lage nicht mehr von der Lage von Vertriebenen. Deshalb werden sie in diesem Falle ebenfalls als Vertriebene bezeichnet.
In Deutschland werden unter „Vertreibung“ die Ausweisung und die Flucht der deutschen Bevölkerung aus den deutschen Ostgebieten, also aus Ostdeutschland durch Polen und die damalige Sowjetunion, aber auch aus dem Sudetenland durch die Tschechei und aus dem damals entstandenen Jugoslawien ab 1945 verstanden. In diesem Zusammenhang ist der Begriff der Vertreibung auch eng mit dem Begriff der Heimat verwoben.
„Vertreibung“ ist weder juristisch noch historisch klar und unmissverständlich definiert, es ist vielmehr ein Terminus der politischen Sprache (Siehe auch: Fremdherrschaft). Mit der Weiterentwicklung des Völkerstrafrechts hat sich bei Juristen und Historikern der Begriff der Ethnischen Säuberung eingebürgert, der weitgehend dieselbe Bedeutung wie „Vertreibung“ hat.
Vertreibungen werden aus dem Blickwinkel des Vertreiberlandes und anderer, nicht betroffener Länder oft als gerechtfertigt angesehen, weil sie Reaktion auf möglicherweise zuvor widerfahrenes Unrecht seien. Möglich werden sie zum Beispiel durch die faktische Machtsituation nach einem verlorenen Krieg. Jedoch ist zu beachten, dass auch dem Vertreiberland zuvor widerfahrenes Unrecht es nicht rechtfertigt, wenn dieses Land seinerseits Unrecht begeht. Vertreibungen werden in den verantwortlichen Ländern häufig legalisiert, davon ist die moralische und völkerrechtliche Berechtigung, die in aller Regel nicht gegeben ist, zu unterscheiden.

Ausschnitt aus der Bildzeitung
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Vertreibung Volksdeutscher
Nach dem Ersten Weltkrieg
Nach dem Ersten Weltkrieg gab es Maßnahmen unterschiedlicher Härte, mit denen Minderheiten die Aussiedlung nahegelegt wurde, insbesondere von Deutschen aus den gemäß Versailler Vertrag polnisch gewordenen gemischten Siedlungsgebieten. Dieser auch „kalte Vertreibung“ genannte Vorgang dauerte von 1918/19 bis 1939 und betraf rund 1,5 Millionen Deutsche aus Ostoberschlesien, Westpreußen beziehungsweise dem Polnischen Korridor, der ehemaligen Provinz Posen und weiteren Teilen Polens.

Siedlungsgebiete Volksdeutscher um 1910
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Vertreibung von Deutschen 1944 bis 1948
Planung
Seit 1939 forderten nicht nur die polnischen Kommunisten erhebliche deutsche Gebiete ohne ihre angestammte Bevölkerung, sondern auch die bürgerlich-polnische Exilregierung in London.
Ab Sommer 1941 forderten die polnische und tschechoslowakische Exilregierung in London Grenzkorrekturen nach dem Sieg über das nationalsozialistische Deutschland. Dies sollte ausdrücklich die Entfernung der deutschen Bevölkerung aus den eroberten Gebieten wie auch aus dem restlichen Staatsgebiet einschließen.
In der vom polnischen Institut „Weststudium“ publizierten „Kleinen Bibliothek der Westgebiete” [biblioteczka ziem zachodnich] wurde der Krieg bereits 1942 dargestellt als
„[…]Krieg um die politische Größe Polens. Polnisches Kriegsziel ist eine Ostseeküste von Klajpeda (Memel) nach Stettin und eine Grenze an der Oder […]”.
Die neue polnische „Westgrenze“ sollte wenn nötig auch ohne internationales Mandat erzwungen werden. In einem 1943 erstellten Memorandum wurde die Schaffung vollendeter Tatsachen nach dem Krieg noch vor einer Friedenskonferenz gefordert, um so die Möglichkeit der Durchführung von Volksabstimmungen auszuschließen. Zu diesem Zeitpunkt wurde demnach die vollständige völkerrechtswidrige Vertreibung der deutschen Bevölkerung als unabdingbare Voraussetzung einer erfolgreichen Errichtung einer neuen polnischen „Westgrenze” angesehen.
Von großer Bedeutung war schließlich eine Gemeinschaftsarbeit „Über das linke Oderufer“. Sie stellt den Versuch dar, zu belegen, dass die neue polnische Westgrenze auch das linke Oderufer und damit auch Städte wie Görlitz und Frankfurt mit einschließen müsse. (Westrundschau Zygmunt Wojciechowski u.a. „O lewy brzeg srodkowej i dolnej Odry [Über das linke Ufer der mittleren und unteren Oder]. Przeglad Zachodni 1 (1945), 2/3: 61-87)
Am 13. Dezember 1944 erklärte der britische Premierminister Winston Churchill vor dem Unterhaus in London sein Einverständnis zur Vertreibung:
„Natürlich würde ein Bevölkerungsaustausch im Osten und Norden die Folge sein. Die Umsiedlung von mehreren Millionen Menschen müßte vom Osten nach dem Westen oder Norden durchgeführt werden, ebenso die Vertreibung der Deutschen – denn das wurde vorgeschlagen: völlige Vertreibung der Deutschen – aus den Gebieten, die Polen im Westen und Norden gewinnt. Denn die Vertreibung ist, soweit wir in der Lage sind es zu überschauen, das befriedigendste und dauerhafteste Mittel.“
Auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 setzte die Sowjetunion die Abtrennung der bereits 1939 bis 1941 sowjetisch besetzten polnischen Ostgebiete an die Sowjetunion durch, die ihrerseits im Ergebnis des polnisch-sowjetischen Krieges (1920–1921) von Polen annektiert worden waren.
Die begonnene Vertreibung der Deutschen östlich von Oder und Neiße wurde auf der sogenannten Potsdamer Konferenz abgesegnet, wobei die deutschen Ostgebiete vorübergehend bis zum Abschluss eines Friedensvertrages mit dem Deutschen Reich unter polnische bzw. sowjetische Verwaltung gestellt werden sollten.

Stalins ursprüngliche Grenzpläne mit weitgehend deutsch verbliebenem Schlesien entlang der Glatzer Neisse (Die blauen Linien wurden eigenhändig von Stalin gezeichnet)
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Siedlungsgebiete Volksdeutscher nach der Vertreibung 1945
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Verzweifelte Flucht aus der deutschen Heimat in Ostpreußen
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Die gewaltsame Vertreibung, bis heute ungesühnt (bei Braunsberg)
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Chaos auf den Straßen
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Pillau Hafen, Januar 1945. Am Ufer wartende Flüchtlinge in eisiger Kälte
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Durchführung
Bei den Vertreibungsgebieten handelte es sich um:
- an Polen durch die Alliierten unter vorübergehende Verwaltung gestellte Teile des Deutschen Reiches wie das südliche Ostpreußen, Danzig-Westpreußen, Pommern und die Neumark Brandenburg sowie Schlesien;
- den nördlichen Teil Ostpreußens, von Stalin der russischen Teilrepublik angegliedert;
- das zwischen Deutschland und Litauen lange umstrittene Memelland;
- Gebiete, die seit 1919 dem Deutschen Reich abgesprochen wurden, in denen aber nach wie vor viele Deutsche lebten (beispielsweise Westpreußen und das östliche Oberschlesien);
- weitere deutsche Siedlungsgebiete in den baltischen Staaten (bereits 1939/40 mit der Sowjetunion vertraglich vereinbart);
- das Sudetenland sowie Südböhmen und Südmähren, also die nördlichen, südlichen und westlichen Randgebiete der Tschechoslowakei;
- Prag und die deutschen Sprachinseln in Zentral-Böhmen und -Mähren;
- Gebiete der damaligen Sowjetunion, neben einer weitläufigen Streubesiedlung vor allem die von deutschstämmigen Staatsangehörigen besiedelte „Wolga-Republik“
- mehrere Regionen in Südosteuropa, vor allem in Ungarn, Rumänien (Siebenbürgen, Banat), Kroatien (Slawonien), Serbien (Wojwodina) und Slowenien (Marburg a.d. Drau), Laibach, Cilli, Gottschee, s.a. Jugoslawien).
In Stettin wurde die Vertreibung noch im Jahre 1946 fortgesetzt, um diese deutsche Stadt ebenfalls völkerrechtswidrig in polnischen Besitz zu nehmen.

Polnisches Hetzplakat zur Vertreibung der deutschen Bewohner aus ihrer Heimat
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Vertreibung aus Ost- und Südosteuropa
Die Vertreibung der Deutschen aus Ost- und Südosteuropa ist die größte „ethnische Säuberung“ in der neueren europäischen Geschichte.
- Etwa 12-13 Millionen Flüchtlinge und Vertriebene;
- Rund zwei Millionen Tote.
- Darunter sind:
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- Über 500.000 deutsche Zivilisten, die 1945 aus den östlichen Provinzen Deutschlands in sowjetische Arbeitslager deportiert wurden.
- Bis zu 160.000 deutsche Zivilisten, die bereits schon ab 1944 aus den deutschen Minderheitsgebieten in Ungarn, Jugoslawien und Rumänien als „lebende Reparationen“ oft für Jahre zur Zwangsarbeit in die Industriereviere der UdSSR verschleppt wurden.
- etwa 200.000 deutsche Zivilisten, die weit nach Kriegsende in Arbeits- und Internierungslager in Polen, Jugoslawien oder der Tschechoslowakei gebracht wurden
In dieser Aufstellung sind die rund 280.000 Deutschen aus Rußland nicht berücksichtigt (sogenannte Administrativ-Umsiedler), die während des Krieges aus der Sowjetunion nach Deutschland kamen und nach 1945 in die UdSSR zwangsrepatriiert wurden. Auch die Deutschen aus Rußland sind hier nicht mitgezählt, die – innerhalb der Sowjetunion – zwischen 1941 und 1945 aus ihren europäischen Siedlungsgebieten in andere Teile der UdSSR deportiert bzw. in sowjetische Arbeitslager verbracht wurden.[2][3]
Die Zivilbevölkerung in den Ostprovinzen des Deutschen Reiches bekam die volle Härte des Kriegsendes besonders zu spüren. Dort war die Zahl der Zivilisten seit 1943 noch stark angewachsen, weil viele Frauen, Mütter und Kinder wegen der Bombenangriffe auf die deutschen Großstädte in den vermeintlich sicheren Osten des Reiches evakuiert worden waren.
Sie erlebten zum Ende des Krieges als erste die sogenannten Vergeltungs- und Strafmaßnahmen der Roten Armee. In den östlichen Provinzen gingen in diesen Monaten Hand in Hand:
- flächendeckende Verhaftungen vermeintlicher Kriegsverbrecher
- willkürliche Erschießungen angeblicher „Diversanten“ und „Terroristen“
- Zwangsrekrutierung und Deportation männlicher und weiblicher Arbeitskräfte – darunter auch 12jährige Mädchen und 70jährige Greise – sowie brutalste Gewalt gegen Frauen als sogenannte „Kriegsbeute“.
Vertreibung der Sudetendeutschen
Die wohl umfangreichsten Gewaltverbrechen an deutschen Zivilisten sind an den Sudetendeutschen begangen worden. Politisch und programmatisch von der sogenannten tschechischen Exilregierung lange vorbereitet erreichte die Drangsalierung der deutschen Zivilbevölkerung nach Kriegsende eine ungeahnte Brutalität.
Den Startschuß für die brutalen Vertreibungen gab der Prager Aufstand 1945, in dessen Folge es zu den ersten Übergriffen auf deutsche Zivilisten kam. In den nächsten Monaten häuften sich diese Vorfälle. Eine unrühmliche Rolle spielten dabei die sogenannten „Revolutionsgarden“, die sich in ihrer Rücksichtslosigkeit und Grausamkeit besonders hervortaten. Diese, selbst von den Tschechen als „Räubergarden“, „Goldgräber“ und „Fünf-Minuten-Partisanen“ bezeichneten Banditen, waren aus ehemaligen Widerstandkämpfern hervorgegangen. Zu den wenigen Partisanen, die schon während der deutschen Okkupation aktiv waren, gesellten sich jetzt Abenteurer und Glückssucher, die ihre patriotischen Gefühle erst nach der deutschen Kapitulation entdeckt hatten. So schrieb eine tschechische Zeitung: „Heute ist jedermann >Partisan<. Der eine deshalb, weil er einen Partisanen gesehen hat, der andere deshalb, weil er von ihnen etwas gehört hat, der dritte deshalb, weil er sie angeblich unterstützt hat, der vierte erhielt im Mai eine Flinte in die Hand gedrückt, der fünfte arbeitete den ganzen Krieg über gegen die Deutschen usw.“ Es waren überwiegend Mitglieder der Revolutionsgarden, die jetzt, auf zum Teil grausame Art, in den einzelnen Regionen die öffentliche Macht ausübten. Dokumentiert sind Fälle von Plünderungen, Folter und Massenerschießungen. Deutsche Zivilisten konnten wahllos aus der flüchtenden Menge herausgegriffen und erschossen oder bei lebendigem Leib angezündet werden, an früheren Vertretern des Naziregimes rächte man sich, indem man sie u.a. lebendig einmauerte oder ihnen brennende Hölzchen unter die Fingernägel trieb. Gemeinsam war allen Opfern, daß sie Nemec – Deutsche waren.[4] Alle deutschen Bürger in Böhmen und Mähren mußten eine Armbinde mit einem „N“ für Nemec (Deutscher) tragen. Mit gezielten Gewaltaktionen wie dem „Todesmarsch von Brünn“ oder dem Massaker in Aussig sollten sie mürbe gemacht, zum „freiwilligen“ Verlassen ihrer Heimat gezwungen werden. Exil-Präsident Edvard Benes befahl: „Werft sie aus ihren Wohnungen. Kein Bauer darf auch nur einen Quadratmeter Boden behalten.“ Dafür schaffte er auch die juristische Basis: jene Enteignungsdekrete, die heute noch in der Debatte sind. Die brutalen Ausschreitungen, teils wie in Aussig offiziell initiiert, hatten das gewünschte Ergebnis. Zahlreiche der Verfolgten gingen von selbst. Der entsetzliche Zustand, in dem sie in den westlichen Besatzungszonen eintrafen, veranlaßte schließlich die Alliierten im Herbst, von Prag einen Stopp der „wilden Vertreibungen” zu verlangen. Aber die Exzesse dauerten an. Erst im Frühling 1946 kam es zu „geregelten” Massendeportationen in Güterwaggons. Doch auch diese Bevölkerungstransfers verliefen keineswegs unter „humanen Bedingungen”. Die Vertreibungen der Sudetendeutschen waren mit Gewalt und Mord verbunden. Zu den Orten der größten Massaker im wilden Vertreibungssommer 1945 gehören:
- Brünn (Brünner Todesmarsch), 30. – 31. Mai 1945: Vertreibung von 20.000 bis 35.000 Deutschen. Wahrscheinlich etwa 5.000 Tote, davon 459 im tschechischen Todeslager Pohrlitz, etwa 250 Tote auf dem Marsch bis zur österreichischen Grenze und weitere 1.062 Tote auf dem Weg weiter nach Wien. Die meisten kamen infolge schlechter Versorgung und Krankheiten um.
- Postelberg, KZ, 31. Mai – 15. Juni 1945: 763 Ermordete, davon 5 Frauen und 1 Kind.
- Duppau, Juni 1945: 24 Ermordete.
- Totzau, 5. Juni 1945: 32 Ermordete.
- Podersam, 7. Juni 1945: 68 Ermordete.
- Komotau, 9. Juni 1945: 12 Menschen wurden zu Tode gemartert. Am Todesmarsch starben weitere 70 Menschen. Im Todeslager Sklárna wurden dann weitere 40 Menschen ermordet. Außerdem wurden zehn Menschen von Soldaten aus dem Lager gebracht und an einer anderen Stelle hingerichtet. Insgesamt wurden etwa 140 Menschen ermordet.
- Prerau (Massaker von Prerau), Nacht von 18. auf 19. Juni 1945: 265 Ermordete, davon 71 Männer, 120 Frauen und 74 Kinder. Der älteste Ermordete war 80 Jahre alt, das jüngste war ein achtmonatiger Säugling. Durch Flucht retteten sich 7 Menschen.
- Jägerndorf; Erste Wilde Vertreibung am 22. Juni 1945. Fußmarsch vom KZ-Lager am Burgberg über Würbenthal, Gabel, Gabel-Kreuz, Thomasdorf, Freiwaldau, Weigelsdorf, Mährisch-Altstadt bis Grulich. Dann im offenen Eisenbahnwaggon bis Teplitz-Schönau. Anschließend wieder Fußmarsch bis zur Grenze nach Sachsen bei Geising im Erzgebirge.
- Aussig (Massaker von Aussig), 31. Juli 1945: Etwa 80 – 100 Ermordete. Verschiedene Quellen geben von 30 bis zu 700, selten sogar über 2.000 Ermordete an, wobei die Zahl 30 sehr wahrscheinlich ganz untergewichtet ist und die Zahl 2.000, vermutlich auch 700, im Gegenteil eher überhöht ist.
- Taus: Etwa 200 Ermordete.
- Landskroner Blutgericht, 17. bis 21. Mai 1945: Strafgericht an den deutschen Einwohnern der Stadt mit am ersten Tag 24 Ermordeten und am Ende um die 100 Todesopfern
Alle im Sommer 1945 durchgeführten Pogrome und Straftaten wurden nachträglich unter Straffreiheit gestellt. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß ca. 2,8 Millionen Sudetendeutsche (praktisch fast 100 %) aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Umstritten ist die Zahl der Opfer, die im Verlaufe der Vertreibungen und Exzesse ihr Leben lassen mußten. Heinz Nawratil gibt die deutschen Todesopfer in der Tschechoslowakei mit ca. 272.000 an. Erwähnenswert ist auch die Tatsache, daß in den sudetendeutschen Gebieten etwa 1.000 Ortschaften verfallen oder sogar gänzlich vom Erdboden verschwunden sind. Die ehemalige Stadt Duppau beispielsweise ist heute Teil eines Truppenübungsplatzes.

Kundmachung aus:
Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
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Vertreibung im Kern jahrzehntelang vorbereitet
In einem ausführlichen Beitrag unter dem Untertitel „Einblicke in den von langer Hand vorbereiteten »Abschub« der Sudetendeutschen“, weist Karl Peter Schwarz in der Besprechung des 2. Bandes von „Odsun. die Vertreibung der Sudetendeutschen“ von Roland J. Hoffmann, Kurt Heißig und Manfred Kittel (Hg.) deutlich darauf hin, dass die Vertreibung aus Böhmen und Mähren schon vor dem Zweiten Weltkrieg geplant und kein „Racheakt“ für vorgebliche „deutsche Verbrechen“ war.

Lager mit sudetendeutschen Vertriebenen 1945
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vertriebene Deutsche aus Pilsen 1945
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Gesamtzahl der Todesopfer
Heinz Nawratil behandelt das Thema in seinem Buch Schwarzbuch der Vertreibung 1945 – 1948. Er kommt auf insgesamt 2,8 bis 3 Millionen Vertreibungs- und Deportationsopfer der deutschen Zivilbevölkerung. Das entspricht etwa der seinerzeitigen Einwohnerzahl der Republik Irland.
Eine Anzahl weiterer nationaler und internationaler seriöser Publikationen bestätigt dies. So etwa Rhode in Völker auf dem Wege (Kiel, 195), oder Ploetz, Raum und Bevölkerung in der Weltgeschichte (Bd. 2, Würzburg, 1955), oder dtv-Atlas zur Weltgeschichte (Bd. 2, München, 1979). In dieser Zahl enthalten sind nach den Berechnungen von Nawratil mindestens 1.419.000 ostdeutsche und mindestens 272.000 sudetendeutsche Vertreibungstote.
Eine noch höhere Zahl nennt der erste Bundeskanzler der BRD, Konrad Adenauer. Von den 13,5-17 Millionen deutschen Vertriebenen nach 1945 trafen laut Adenauer nur etwa 7,5 Millionen in Restdeutschland ein. Er schrieb dazu:
„Nur 7,3 Millionen sind in der Ostzone und in den drei Westzonen angekommen. Sechs Millionen Deutsche sind vom Erdboden verschwunden. Sie sind verdorben, gestorben.“
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Verzweifelter Versuch, das Eis des Frischen Haffs zu überqueren, um auf der Nehrung von Schiffen aufgenommen zu werden. Unzählige Deutsche starben dabei.
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Völkerrechtliche Bewertung
Vertreibungen sind in jedem Falle völkerrechtswidrig. Sie verstoßen unter anderem gegen die Haager Landkriegsordnung von 1907, gegen das Verbot von Kollektivausweisungen, gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und gegen das Eigentumsrecht. Alle historisch belegten Vertreibungen waren mit Blutvergießen und Enteigungen verbunden. Doch selbst eine Vertreibung ohne Enteignung würde das Eigentumsrecht der Vertriebenen verletzen, weil dieses Recht das Recht der Nutzung einschließt. Ein Vertriebener kann aber seine Immobilien nicht mehr nutzen.
Dem Regensburger Völkerrechtler Otto Kimminich gelang in den 1950er Jahren der Nachweis, daß das seit jeher geltende Völkerrecht das Recht auf die Heimat einschließt, auch wenn dieses Recht lange nicht explizit niedergeschrieben (positiviert) wurde. Vor allem das Selbstbestimmungsrecht der Völker setzt das Recht auf die Heimat voraus, denn es bezieht sich regelmäßig auf diejenigen Gebiete, in denen eine bestimmte Nation oder Volksgruppe unangefochten und rechtmäßig die Mehrheit der Bevölkerung stellt. Letzteres setzt aber das Recht auf die Heimat voraus.
Soweit Vertreibungen eine hinreichend klar definierte Gruppe betreffen und mit der Absicht durchgeführt werden, diese Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören, erfüllen sie außerdem den Tatbestand des Völkermordes im Sinne der UN-Konvention von 1948.
BRD-Bundespräsident Richard von Weizsäcker sollte später die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus Ostdeutschland und deren Millionenfache Ermordung in nicht zu überbietendem Zynismus eine „erzwungene Wanderschaft“ nennen.
Zur völkerrechtswidrigen Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Ostdeutschland sagte der spätere Vorsitzende der Deutschen Partei, Heinrich Hellwege, am Vorabend der Moskauer Außenministerkonferenz am 10. März 1947:
“Es bleibt nun noch im Rahmen der Gebietsforderungen einen Punkt zu erwähnen, der über unsere Wxistenz als Nation entscheiet! Ich meine die Regelung der deutschen Ostgrenze. Die Rechtslage ist klar! Auch durch das Potsdamer Abkommen ist die deutsche Ostgrenze nicht festgelegt worden. Die Überlassung des dortigen Gebietes an Polen bedeutet keine Übertragung der Gebietshoheit, sondern nur eine vorläufige Übertragung der Verwaltung! Auch nicht der Schatten eines historischen Rechtes steht für den polnischen Anspruch. Polen ist auch nicht in der Lage, diese Gebiete so zu besiedeln und zu nutzen, wie sie von Deutschland besiedelt und genutzt waren. Polen kann auch ohne diese Gebiete leben, Deutschland aber kann es nicht!”
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Polnisches Hetzplakat zur Vertreibung der deutschen Bewohner aus ihrer Heimat
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Recht auf Heimat
Das Recht auf Heimat ist ein Menschenrecht. Es besteht unabhängig von zwischenstaatlichen Vereinbarungen, durch die es auch nicht abgeschafft werden kann. Das Recht auf Heimat ist das wichtigste der kollektiven Menschenrechte und die Grundlage für die Erhaltung des Friedens. Der Heimatbegriff wird weltweit in räumlicher, ethnischer und kultureller Hinsicht verstanden. Dadurch werden das Heimatland, die historisch über Jahrhunderte ansässigen Volksgruppen sowie ihre kulturellen Traditionen, Leistungen und Errungenschaften zu Schutzobjekten. Volkstum und Kultur sind wesentliche Grundlagen für die Würde des Menschen.
Bewältigung und Integration
Im restlichen Deutschland verlangte die Vertreibung von allen Beteiligten in den 1940er, 1950er und 1960er Jahren eine große Integrationsleistung. Durch die Bevölkerungsverschiebungen im großen Maßstab verdoppelten einige Länder, zum Beispiel Mecklenburg ihre Einwohnerzahl, vormals konfessionell homogene Regionen mit starken eigenen Traditionen, zum Beispiel Oberbayern und die Lüneburger Heide, besaßen nun große Bevölkerungsgruppen mit einem anderen Lebensstil und fremder konfessioneller Prägung. Zuweilen kam es zu ganzen Stadt- und Ortsneugründungen wie Espelkamp, Waldkraiburg, Traunreut, Geretsried oder Kaufbeuren-Neugablonz.
Infolge der Zerstörungen des Krieges und der ungeheuren Flüchtlingsströme wurden seelenlose Wohnviertel errichtet, die Deutschland bis heute verschandeln und ihm seinen ursprünglichen Charakter rauben. Polen, das seit dem Gebietsraub an Deutschland derzeit etwa die gleiche Fläche wie die Rest-BRD besitzt, hat jedoch nur die Hälfte der durchschnittlichen Einwohnerzahl pro Quadratkilometer. Allein daran läßt sich schon die Absurdität des Landraubes erkennen.
In den von Deutschen verlassenen Gebieten wurden unter anderem ebenfalls umgesiedelte Polen aus dem ehemaligen, im Polnisch-Sowjetischen Krieg (1920–1921) annektierten sogenannten Ostpolen (der seit 1945 wieder litauischen Region Vilnius, dem westlichen Drittel des heutigen Weißrußland (Weißruthenien) und der westlichen Ukraine (Wolhynien und Galizien) angesiedelt. Viele dieser nun umgesiedelten ca. 1,2 Millionen Polen hatten sich dort ihrerseits erst im Ergebnis des Krieges und nach der Vertreibung eingesessener deutscher Bewohner niedergelassen. Den größten Teil der Neusiedler in den Oder-Neiße-Gebieten bildeten Polen aus den traditionell polnischen Gebieten („Zentralpolen“). Hinzu kamen rund 400.000 Ukrainer und eine etwas kleinere Anzahl Weißrussen. Die Ursache dafür ist, daß auch westlich der heutigen polnischen Ostgrenze von jeher eine bedeutende weißrussische und ukrainische Minderheit lebte und lebt, insbesondere in den Regionen Bialystok (Weißrussen) und Przemysl (Ukrainer). Diese Gruppen galten der polnischen Regierung nach 1945 als potenziell unzuverlässig beziehungsweise als mögliche Argumente für neue sowjetische Forderungen an Polen. Deswegen wurde ein Teil von ihnen in Richtung Osten vertrieben (also aus dem heute polnischen Gebiet in die in der Zwischenkriegszeit zu Polen gehörenden Gebiete östlich des Flusses Bug), ein anderer Teil jedoch nach Westen, vor allem nach Niederschlesien und Hinterpommern. Diese innerpolnische Umsiedlung dauerte von Ende April bis Ende Juli 1947, die verantwortlichen Politiker und Militärs nannten sie „Aktion Weichsel“.
Verteilung der 11.935.000 angekommenen Vertriebenen in der BRD und DDR (1950) | ||||
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Land | Anzahl | % der Vertrieb. (in D) | % der Wohnbev. | |
Bayern | ABZ | 1.937.000 | 16,2 % | 21 % |
Niedersachsen | BBZ | 1.851.000 | 15,5 % | 27 % |
Nordrhein-Westfalen | BBZ | 1.332.000 | 11,2 % | 10 % |
Mecklenburg-Vorpommern | SBZ | 981.000 | 8,2 % | 45 % |
Sachsen-Anhalt | SBZ | 961.000 | 8,1 % | 23 % |
Baden-Württemberg | FBZ/ABZ | 862.000 | 7,2 % | 13,5 % |
Schleswig-Holstein | BBZ | 857.000 | 7,2 % | 33 % |
Sachsen | SBZ | 781.000 | 6,5 % | 14 % |
Hessen | ABZ | 721.000 | 6 % | 16,5 % |
Thüringen | SBZ | 607.000 | 5,1 % | 20,5 % |
Brandenburg | SBZ | 581.000 | 4,9 % | 23 % |
Rheinland-Pfalz | FBZ | 152.000 | 1,3 % | 5 % |
West-Berlin | ABZ/FBZ/BBZ | 148.000 | 1,2 % | 6,9 % |
Hamburg | BBZ | 116.000 | 1 % | 7,2 % |
Bremen | ABZ | 48.000 | 0,4 % | 8,6 % |
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Das sind 1950 zusammen 11.935.000, davon 3.911.000 in der DDR und 8.024.000 in der Bundesrepublik Deutschland
(später als 1950 gekommene Vertriebene und SBZ/DDR-Flüchtlinge sind nicht enthalten).
Das Saarland war 1950 noch autonome französisch verwaltete Region und wird daher nicht aufgelistet.
Baden-Württemberg war 1950 noch nicht gegründet; dieses Gebiet bestand aus den vorherigen Bundesländern Württemberg-Baden (ABZ), Südwürttemberg-Hohenzollern (FBZ) und Südbaden (FBZ).
Die niedrigen Zahlen in den französisch besetzten Gebieten rühren daher, daß dort zunächst keine Vertriebenen aufgenommen wurden; das änderte sich erst mit der Gründung der Bundesrepublik 1949.

Bei Grünhagen. Wenige Zentimeter unter der Erdoberfläche. Oktober 2009.
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Regreßforderungen nach Friedensvertrag
Neben der Rückgabe des gestohlenen Gebietes und der Entschädigung für die begangenen Verbrechen kommen noch Kosten für den Nutzungsausfall auf die Vertreiberstaaten zu. Da dem deutschen Volk der von ihm kultivierte Raum über Jahrzehnte der eigenen Nutzung entzogen wurde, sind mittlerweile Schäden in gravierender Höhe entstanden. Dies betrifft z.B. Umwelt, Landwirtschaft, Wohnraum und die zwischenzeitlich geplünderten Bodenschätze.
Für solche Zahlungen gibt es Beispiele: Um Indianerstämme in North und South Dakota sowie Montana und Oklahoma für entgangene Einnahmen aus Bodenschätzen in gestohlenen Indianerterritorien zu entschädigen, hatte sich nach einem 13 Jahre währenden Rechtsstreit die VS-amerikanische Regierung im Jahre 2009 mit den Indianern geeinigt, 3,4 Milliarden US-Dollar zu zahlen.
Neben den finanziellen Kosten besteht die Möglichkeit, daß die Vertreiberstaaten unentgeltlich über den Zeitraum von einigen Jahren dem deutschen Volk Arbeitskräfte zur Verfügung stellen, um Ostdeutschland und das Sudetenland wieder aufzubauen.
Gedenktag für Vertriebene
Nach jahrelangem Hinauszögern hat 2013 als erstes Bundesland der BRD Bayern beschlossen, jeden zweiten Sonntag im September zukünftig als Gedenktag für die Vertriebenen zu begehen.
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